Von rückständigen «Sauhaufen» – oder Gedanken zum Coming-out Day

Pardon, aber ich nehme es sehr persönlich, wenn jemand öffentlich behauptet, dass der «Hirnlappen» von homosexuellen Menschen «verkehrt läuft». Ebenfalls persönlich nehme ich es, wenn gottesfürchtige Menschen aus der Bibel zitieren und mir mehr oder weniger direkt den Tod wünschen.

2013 reicht der Walliser Nationalrat Mathias Reynard seine Parlamentarische Initiative «Kampf gegen die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung» ein. Vier lange Jahre nach der Einreichung wird der Gesetzentwurf zur Erweiterung der sogenannten «Rassismus-Strafnorm» in die Vernehmlassung geschickt. Wer gegen Menschen wegen deren sexuellen Orientierung oder deren Geschlechtsidentität hetzt, soll bestraft werden können – wie bereits Hetze aufgrund der der Rasse, der Ethnie oder der Religion bestraft werden kann. Die Bundesverfassung garantiert allen Menschen Menschenwürde, gleichen Rechte und körperliche und geistige Unversehrtheit. Warum soll nicht bestraft werden, wer gegen LGBTI-Menschen hetzt?

Die sogenannte Unabhängigkeitspartei «up!schweiz» lehnt die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm ab – und fordert gleichzeitig die komplette Abschaffung des Tatbestandes der Rassendiskriminierung. «up!» schreibt in ihrem Text zur Vernehmlassung zur Initiative, dass das «Zulassen von unbeliebten, verletzenden Meinungen ein Teil des politischen Diskurses» sei, welcher «in einer Demokratie essentiell» sei. Die freie Meinungsäusserung sei «als unteilbar zu erachten».

Gegen die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm ist auch die FDP – und das reizte Denis Kläfiger, Präsident der BDP Luzern und neuer Verantwortlicher «Politik» im Verein der Zurich Pride: Auf Twitter bezeichnete er die FDP als «rückständiger Sauhaufen». Später löschte er reuig den Tweet und entschuldigte sich. Er hatte eingesehen, dass seine «verletzende» Meinung zur FDP wohl eben nicht zum «politischen Diskurs gehört, der in einer Demokratie doch «essentiell» ist.

Gereizt reagierte natürlich auf die «Sauhaufen»-Vorwürfe FDP-Nationalrat Christian Wasserfallen. Dieser schrieb auf Twitter, dass er «immer gemeint habe, die BDP sei die Partei des Anstandes». Und via Pendlerzeitung verlangte er von Denis Kläfiger, dass dieser bei «diesem Thema deutlich integrativer und viel weniger konfrontativ» politisiere.

Michel Rudin, Vollblutpolitiker und Co-Präsident von Pink Cross, schrieb in der NZZ unter dem Titel «Schwule, entspannt euch!», dass wir jetzt «den Mut brauchen, in die Normalität abzudriften». Deshalb stelle sich die Frage, wie wir sein sollten, dass wir «so» – eben «normal» – wahrgenommen würden. Es brauche dazu, meinte Michel Rudin weiter, «den Verzicht, aus Mücken Elefanten zu machen».

Mache ich aus einer Mücke einen Elefanten, wenn ich verlange, dass wir uns als Community endlich gerichtlich gegen Diskriminierungen wehren können? Mache ich aus einer Mücke einen Elefanten, wenn ich das juristische Zusammenleben mit meinem Partner nicht mit einem Sondergesetz regeln will? Mache ich aus einer Mücke einen Elefanten, wenn ich mich darüber ärgere, dass es Fakt ist, dass LGBT-Jugendliche im Vergleich zu heterosexuellen Altersgenossen häufiger an Depressionen leiden?

Heute ist internationaler Coming-out Day. Und ich wünsche mir mit schon fast 60, dass es weiterhin Menschen gibt, denen es den «Nuggi raushaut», wenn Parteien wie die FDP und die SVP zwar «gegen jede Form der Diskriminierung» sind, allerdings die Ausweitung der Rassismus-Strafnorm für wenig «effizient» halten. Diese Haltung erinnert mich etwas an die katholische Kirche, die zwar auch Lesben und Schwule «liebt», ihnen aber empfiehlt, doch enthaltsam zu leben.

Bemerkung: Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass Michel Rudin selbstverständlich die Erweiterung der Rassismus-Strafnorm unterstützt.