Happy queerer Nationalfeiertag?

Am Nationalfeiertag gedenken wir Schweizer*innen dem Bundesbrief, der eigentlichen Gründungsurkunde der Schweizerischen Eidgenossenschaft, unterzeichnet im August 1291. Ein Ausschnitt: «Entsteht Krieg oder Zwietracht zwischen Eidgenossen und will ein Teil sich dem Rechtsspruch oder der Gutmachung entziehen, so sind die Eidgenossen gehalten, den andern zu schützen.»

Die neusten Empfehlungen des UNO-Menschenrechtsausschusses

Das Experten*innen-Gremium zur Überwachung des UNO-Paktes über bürgerliche und politische Rechte, das «Human Rights Committee» hat am 24. Juli seine Empfehlungen zum vierten Staatenberichtsverfahren der Schweiz verabschiedet. Aus unserer queeren Sicht sind folgende kritisierte Punkte interessant:

  • es fehlt nach wie vor eine umfassende Gesetzgebung gegen die Diskriminierung
  • es fehlt ein effektiver Schutz vor Hassreden und diskriminierenden Handlungen gegen homosexuelle und trans* Personen
  • medizinisch unnötige chirurgische Eingriffe an Menschen mit Geschlechtsvarianten sollten ohne deren Einwilligung nicht mehr vorgenommen werden dürfen

Tschetschenien: Zuerst Schikane – dann Säuberungswellen

Wie das russische LGBT Network in einem soeben veröffentlichten Bericht zusammenfasst, sei es während den letzten Jahren in Tschetschenien immer wieder zu Erpressungen, Erniedrigungen und Festnahmen schwuler Männer durch Sicherheitskräfte gekommen. Zur ersten systematischen Verfolgungswelle kam es zwischen Dezember und Februar. Eine weitere folgte zwischen März und Mai. Und seit Ende Juni ist nun eine dritte Verfolgungswelle im Gange. Ziel dieser sei diesmal nicht die Erpressung der Betroffen, sondern die Durchsetzung der Moral und die «Reinigung» des tschetschenischen Blutes.

In seiner Antwort auf einen offenen Brief der HAB bestätigt Bundesrat und EDA-Chef Didier Burkhalter, dass in der Schweiz eine Verfolgung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität zur «Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft» führen kann. Der letzte Satz des Briefes:

Ich versichere Ihnen, dass das EDA die Lage von LGBTI-Personen in Tschetschenien weiter verfolgen und ihre menschenrechtspolitischen Instrumente in Bezug auf Russland angemessen einsetzen wird.

Die Schweiz thematisiere mit Russland, schreibt Bundesrat Burkhalter weiter, die Menschenrechte regelmässig an bilateralen Treffen «auf hoher politischer Ebene» und erinnere Russland auch regelmässig an die Einhaltung seiner internationalen Verpflichtungen.

Die Öffnung der Ehe auch in der Schweiz

Während unser nördliches Nachbarland die Ehe auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet hat, wird in der Schweiz die Ehe für alle von der Politik noch «beraten» – und Konservative sammeln ihre Argumente dagegen. So durfte sich auf neo1, dem Regionalradio aus Langnau, Christian Ineichen äussern. Die «Eiche aus dem Entlebuch» ist seit April Präsident der CVP Kanton Luzern. «Widerwillig» und «zähneknirschend» anerkenne er zwar diesen Trend, dem man wohl «gerecht werden müsse». Bei der Adoption gebe es aber «biologische Grenzen», zwei Frauen könnten sich ja noch «irgendwie organisieren» – aber zwei Männer, «das gehe jetzt halt einfach nicht». Er sei «kategorisch dagegen», dass man Gesetze mache müsse, um schwulen Paaren einen Kinderwunsch zu erfüllen. Er sehe da auch «keinen Mehrwert».

Diversität (Vielfalt) als Schlagwort

Damit Diversität eine Gemeinschaft auch stärkt, braucht es klare Zeichen! Das hat ein Partei-Kollege von Christian Ineichen erkannt. Reto Nause, CVP-Gemeinderat der Stadt Bern, schreibt in seinem Grusswort an die Pride in Bern von Ende August 2017:

Der Gemeinderat hat die Gleichstellung von LGBTI-Menschen in die Legislaturziele aufgenommen und wird nun den Beitritt der Stadt Bern zum «Rainbow Cities Network» in die Wege leiten.

Zur Diversität – zur Vielfalt – gehören aber auch gleiche Rechte … Und diese Forderung passt zu unserem Nationalfeiertag. «Entsteht Streit unter Eidgenossen, so sollen die Einsichtigsten unter ihnen vermitteln und dem Teil, der den Spruch zurückweist, die anderen entgegentreten», steht schon im Bundesbrief von Anfang August 1291.