Out and Proud!

Letzte Woche gab Apple-Chef Tim Cook in einer Kolumne eines Magazins bekannt: «Ich bin stolz darauf, schwul zu sein!» Er gab damit offiziell ein «Geheimnis» preis, das schon längstens keines mehr war. Und die Medien stürzten sich auf diese «Neuigkeit».

Für das ‹Wall Street Journal Deutschland› stehe bei der Veröffentlichung der Meldung nicht Cooks Homosexualität im Mittelpunkt, weil «es etwas Besonderes ist, sondern weil es für ihn und andere Menschen wichtig ist». Anders sieht dies Christiane Hanna Henkel in der ‹NZZ›. Sie wirft dem Apple-Chef «Missbrauch von Macht» vor:

Cook selbst ist weder ein Bürgerrechtlicher noch ein Politiker, wie es Martin Luther King bzw. Robert F. Kennedy waren – auf beide beruft er sich in seinem Text. Cook ist auch kein Unternehmer, sondern er ist ein Manager, der ein Unternehmen führt, das ihm nicht gehört. Er ist ein herausragender Manager, aber er missbraucht seine Macht, wenn er als Chef von einem der am meisten beachteten Konzerne der Welt seine sexuelle Orientierung zum Thema macht. Das ist nicht Bestandteil seiner Aufgabe.

Was für ein Blödsinn! Solange in sieben Staaten dieser Welt Menschen wegen ihrer Geschlechtsidentität oder sexuellen Orientierung mit dem Tod und in über 70 Ländern mit Gefängnis bestraft werden und die Selbstmordrate unter schwulen, lesbischen und transidenten Jugendlichen beträchtlich höher ist als unter gleichalterigen Heterosexuellen, braucht es öffentliche Outings in der Art des Apple-Chefs – braucht es Vorbilder.

Und: Als Arbeitnehmer könnte Tim Cook im US-Staat Kalifornien wegen seiner Homosexualität nicht gekündigt werden, da Kalifornien einen Diskriminierungsschutz kennt. In 29 anderen US-Staaten ist das anders und ein solches Outing kann direkt zur Kündigung führen.

Der Meinung, dass gerade Menschen, die in der Öffentlichkeit stehen, auch zu ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität stehen sollten, war vor etwas über 20 Jahren auch Filmemacher Rosa von Praunheim klar, als er Berühmtheiten wie Hape Kerkeling und Alfred Biolek gegen deren Wille als schwul outete.

«Mein Outing von schwulen Prominenten war ein Verzweiflungsschrei auf dem Höhepunkt der Aidskrise», erklärt Rosa von Praunheim auf seiner Website. Ihm ging es damals darum, schwule Sympathieträger, die versteckt lebten, zur Solidarität mit der Gay Community zu bewegen, weil es in ihr die meisten HIV-Infizierten und Aids-Toten zu beklagen gab.

Der Skandal war damals zwar gross, geschadet hat das unfreiwillige Outing weder Kerkeling noch Biolek wirklich. Das Bild des «Homosexuellen» in der Öffentlichkeit veränderte sich aber – auch Berühmtheiten waren «so».

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Das Symbol unseres Stolzes.

Unsere Forderungen nach gleichen Rechte werden erst deutlich gehört, wenn wir stolz zu unserer Geschlechtsidentität und zu unserer sexuellen Orientierung stehen. Deshalb braucht es nicht nur Outings von Chef_innen, Sportler_innen, Schauspieler_innen und Fernsehmoderator_innen – sondern auch von dir und mir. Und ein Outing braucht noch immer Mut und kann mit einem Hochseilakt ohne Netz verglichen werden. Erst wenn wir nicht mehr auf Toleranz angewiesen sind, können wir LGBT-Menschen wie selbstverständlich neben und mit Heterosexuellen leben. Wir sind vielleicht nicht gleich – aber sicher gleichwertig. Deshalb ist unser Stolz wichtig! «Out and Proud» eben …

Keine 24 Stunden nach der Veröffentlichung des oben zitierten Artikels der ‹NZZ› die Entschuldigung des Chefredaktors Markus Spillmann:

Die Publikation war ein Fehler, genauso wie der Text ein Fehlgriff ist. Die Argumentation, dass Apple-Chef Cook «Machtmissbrauch» begehe, wenn er sich zu seinem Schwulsein bekennt, ist absurd. … Dass er nun zum Schwulsein steht, zeugt von Mut. Die Kritik an diesem Schritt, wie immer sie begründet sein mag, zeugt dagegen von mangelnder Toleranz und einem nach wie vor stigmatisierenden Umgang mit Schwulen und Lesben.

Aber da wäre noch die Sache mit Gott, denn Tim Cook empfinde sein Schwulsein als «eines der grössten Geschenke», das ihm «Gott gemacht» habe. Hier bekennt er sich einerseits zum christlichen Glauben, startet aber auch gleichzeitig einen Angriff gegen diejenigen Gottesfürchtigen, die Homosexualität für eine Sünde halten.

Und die Moral von der Geschicht: Auch Medien und Religionen können ihre Macht missbrauchen! Bleiben wir deshalb nicht nur «out», sondern auch «loud and proud» …